Gelassen stieg die Nacht ans Land,
Lehnt trÄumend an der Berge Wand;
Ihr Auge sieht die goldne Wage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.
Und kecker rauschen die Quellen hervor, 5
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied—
Sie achtet's nicht, sie ist es mÜd'; 10
Ihr klingt des Himmels BlÄue sÜßer noch,
Der flÜcht'gen Stunden gleichgeschwung'nes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die Wasser im Schlafe noch fort
Vom Tage, 15
Vom heute gewesenen Tage.
* * * * *
80. SEPTEMBERMORGEN
Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch trÄumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fÄllt,
Den blauen Himmel unverstellt,
HerbstkrÄftig die gedÄmpfte Welt 5
In warmem Golde fließen.
* * * * *
[Illustration: Flora, die Blumen weckend, by Arnold BÖcklin]
* * * * *
81. ER IST'S
FrÜhling lÄßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die LÜfte;
SÜße, wohlbekannte DÜfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen trÄumen schon, 5
Wollen balde kommen.—
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
FrÜhling, ja du bist's!
Dich hab' ich vernommen!
* * * * *
82. IN DER FRÜHE
Kein Schlaf noch kÜhlt das Auge mir,
Dort gehet schon der Tag herfÜr
An meinem Kammerfenster.
Es wÜhlet mein verstÖrter Sinn
Noch zwischen Zweifeln her und hin 5
Und schaffet Nachtgespenster.—
Ängste, quÄle
Dich nicht lÄnger, meine Seele!
Freu dich! schon sind da und dorten
Morgenglocken wach geworden. 10
* * * * *
83. DER FEUERREITER
Sehet ihr am Fensterlein
Dort die rote MÜtze wieder?
Nicht geheuer muß es sein,
Denn er geht schon auf und nieder.
Und auf einmal welch GewÜhle 5
Bei der BrÜcke, nach dem Feld!
Horch! das FeuerglÖcklein gellt:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der MÜhle. 10
Schaut! da sprengt er wÜtend schier
Durch das Tor, der Feuerreiter,
Auf dem rippendÜrren Tier,
Als auf einer Feuerleiter.
Querfeldein! Durch Qualm und SchwÜle 15
Rennt er schon und ist am Ort!
DrÜben schallt es fort und fort:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt es in der MÜhle. 20
Der so oft den roten Hahn
Meilenweit von fern gerochen
Mit des heil'gen Kreuzes Span
Freventlich die Glut besprochen—
Weh! dir grinst vom DachgestÜhle 25
Dort der Feind im HÖllenschein.
Gnade Gott der Seele dein!
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Rast er in der MÜhle. 30
Keine Stunde hielt es an,
Bis die MÜhle borst in TrÜmmer;
Doch den kecken Reitersmann
Sah man von der Stunde nimmer.
Volk und Wagen im GewÜhle 35
Kehren heim von all dem Graus
Auch das GlÖcklein klinget aus:
Hinterm Berg,
Hinterm Berg
Brennt's— 40
Nach der Zeit ein MÜller fand
Ein Gerippe samt der MÜtzen
Aufrecht an der Kellerwand
Auf der beinern MÄhre sitzen.
Feuerreiter, wie so kÜhle 45
Reitest du in deinem Grab!
Husch! da fÄllt's in Asche ab.
Ruhe wohl,
Ruhe wohl
Drunten in der MÜhle! 50
* * * * *
84. DAS VERLASSENE MÄGDLEIN
FrÜh, wann die HÄhne krÄhn,
Eh' die Sternlein verschwinden,
Muß ich am Herde stehn,
Muß Feuer zÜnden.
SchÖn ist der Flammen Schein, 5
Es springen die Funken;
Ich schaue so drein,
In Leid versunken.
PlÖtzlich da kommt es mir,
Treuloser Knabe, 10
Daß ich die Nacht von dir
GetrÄumet habe.
TrÄne auf TrÄne dann
StÜrzet hernieder:
So kommt der Tag heran— 15
O ging' er wieder!
* * * * *
85. LEBEWOHL
"Lebe wohl!"—Du fÜhlest nicht,
Was es heißt, dies Wort der Schmerzen;
Mit getrostem Angesicht
Sagtest du's und leichtem Herzen.
Lebe wohl!—Ach, tausendmal 5
Hab' ich mir es vorgesprochen,
Und in nimmersatter Qual
Mir das Herz damit gebrochen!
* * * * *
86. SCHÖN-ROHTRAUT
Wie heißt KÖnig Ringangs TÖchterlein?
Rohtraut, SchÖn-Rohtraut.
Was tut sie denn den ganzen Tag,
Da sie wohl nicht spinnen und nÄhen mag?
Tut fischen und jagen. 5
O daß ich doch ihr JÄger wÄr'!
Fischen und Jagen freute mich sehr.—
Schweig stille, mein Herze!
Und Über eine kleine Weil',
Rohtraut, SchÖn-Rohtraut, 10
So dient der Knab' auf Ringangs Schloß
In JÄgertracht und hat ein Roß,
Mit Rohtraut zu jagen.
O daß ich doch ein KÖnigssohn wÄr'!
Rohtraut, SchÖn-Rohtraut lieb' ich so sehr.— 15
Schweig stille, mein Herze!
Einstmals sie ruhten am Eichenbaum,
Da lacht SchÖn-Rohtraut:
"Was siehst mich an so wunniglich?
Wenn du das Herz hast, kÜsse mich!" 20
Ach, erschrak der Knabe!
Doch denket er: Mir ist's vergunnt,
Und kÜsset SchÖn-Rohtraut auf den Mund.—
Schweig stille, mein Herze!
Darauf sie ritten schweigend heim, 25
Rohtraut, SchÖn-Rohtraut;
Es jauchzt der Knab' in seinem Sinn:
Und wÜrdst du heute Kaiserin,
Mich sollt's nicht krÄnken!
Ihr tausend BlÄtter im Walde, wißt! 30
Ich hab' SchÖn-Rohtrauts Mund gekÜßt—
Schweig stille, mein Herze!
* * * * *
87. AUF EINE LAMPE
Noch unverrÜckt, o schÖne Lampe, schmÜckest du,
An leichten Ketten zierlich aufgehangen hier,
Die Decke des nun fast vergeßnen Lustgemachs.
Auf deiner weißen Marmorschale, deren Rand
Der Efeukranz von goldengrÜnem Erz umflicht, 5
Schlingt frÖhlich eine Kinderschar den Ringelreihn.
Wie reizend alles! lachend und ein sanfter Geist
Des Ernstes doch ergossen um die ganze Form:
Ein Kunstgebild der echten Art. Wer achtet sein?
Was aber schÖn ist, selig scheint es in ihm selbst. 10
* * * * *
88. GEBET
Herr, schicke, was du willt,
Ein Liebes oder Leides!
Ich bin vergnÜgt, daß beides
Aus deinen HÄnden quillt.
Wollest mit Freuden 5
Und wollest mit Leiden
Mich nicht ÜberschÜtten!
Doch in der Mitten
Liegt holdes Bescheiden.
* * * * *
89. DENK' ES, O SEELE
Ein TÄnnlein grÜnet wo,
Wer weiß? im Walde,
Ein Rosenstrauch, wer sagt,
In welchem Garten?
Sie sind erlesen schon— 5
Denk' es, o Seele!—
Auf deinem Grab zu wurzeln
Und zu wachsen.
Zwei schwarze RÖßlein weiden
Auf der Wiese, 10
Sie kehren heim zur Stadt
In muntern SprÜngen.
Sie werden schrittweis gehn
Mit deiner Leiche,
Vielleicht, vielleicht noch eh' 15
An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe.