Weil' auf mir, du dunkles Auge,
Übe deine ganze Macht,
Ernste, milde, trÄumerische,
UnergrÜndlich sÜße Nacht!
Nimm mit deinem Zauberdunkel 5
Diese Welt von hinnen mir,
Daß du Über meinem Leben
Einsam schwebest fÜr und fÜr.
* * * * *
71. SCHILFLIED
Auf dem Teich, dem regungslosen,
Weilt des Mondes holder Glanz,
Flechtend seine bleichen Rosen
In des Schilfes grÜnen Kranz.
Hirsche wandeln dort am HÜgel, 5
Blicken in die Nacht empor;
Manchmal regt sich das GeflÜgel
TrÄumerisch im tiefen Rohr.
Weinend muß mein Blick sich senken;
Durch die tiefste Seele geht 10
Mir ein sÜßes Deingedenken
Wie ein stilles Nachtgebet!
* * * * *
72. DER EICHWALD
Ich trat in einen heilig dÜstern
Eichwald, da hÖrt' ich leis' und lind
Ein BÄchlein unter Blumen flÜstern,
Wie das Gebet von einem Kind;
Und mich ergriff ein sÜßes Grauen, 5
Es rauscht' der Wald geheimnisvoll,
Als mÖcht' er mir was anvertrauen,
Das noch mein Herz nicht wissen soll;
Als mÖcht' er heimlich mir entdecken,
Was Gottes Liebe sinnt und will: 10
Doch schien er plÖtzlich zu erschrecken
Vor Gottes NÄh'—und wurde still.
* * * * *
73. DER POSTILLION
Lieblich war die Maiennacht,
SilberwÖlklein flogen,
Ob der holden FrÜhlingspracht
Freudig hingezogen.
Schlummernd lagen Wies' und Hain, 5
Jeder Pfad verlassen;
Niemand als der Mondenschein
Wachte auf der Straßen.
Leise nur das LÜftchen sprach,
Und es zog gelinder 10
Durch das stille Schlafgemach
All der FrÜhlingskinder.
Heimlich nur das BÄchlein schlich,
Denn der BlÜten TrÄume
Dufteten gar wonniglich 15
Durch die stillen RÄume.
Rauher war mein Postillion,
Ließ die Geißel knallen,
Uber Berg und Tal davon
Frisch sein Horn erschallen. 20
Und von flinken Rossen vier
Scholl der Hufe Schlagen,
Die durchs blÜhende Revier
Trabten mit Behagen.
Wald und Flur im schnellen Zug 25
Kaum gegrÜßt—gemieden;
Und vorbei, wie Traumesflug,
Schwand der DÖrfer Frieden.
Mitten in dem MaienglÜck
Lag ein Kirchhof innen, 30
Der den raschen Wanderblick
Hielt zu ernstem Sinnen.
Hingelehnt an Bergesrand
War die bleiche Mauer,
Und das Kreuzbild Gottes stand 35
Hoch, in stummer Trauer.
Schwager ritt aus seiner Bahn
Stiller jetzt und trÜber;
Und die Rosse hielt er an,
Sah zum Kreuz hinÜber: 40
"Halten muß hier Roß und Rad,
Mag's Euch nicht gefÄhrden;
DrÜben liegt mein Kamerad
In der kÜhlen Erden!
"Ein gar herzlieber Gesell! 45
Herr, 's ist ewig schade!
Keiner blies das Horn so hell,
Wie mein Kamerade!
"Hier ich immer halten muß,
Dem dort unterm Rasen 50
Zum getreuen Brudergruß
Sein Leiblied zu blasen!"
Und dem Kirchhof sandt' er zu
Frohe WandersÄnge,
Daß es in die Grabesruh' 55
Seinem Bruder drÄnge.
Und des Hornes heller Ton
Klang vom Berge wieder,
Ob der tote Postillion
Stimmt' in seine Lieder.— 60
Weiter ging's durch Feld und Hag
Mit verhÄngtem ZÜgel;
Lang mir noch im Ohre lag
Jener Klang vom HÜgel.
* * * * *
74. DIE DREI
Drei Reiter nach verlorner Schlacht,
Wie reiten sie so sacht, so sacht!
Aus tiefen Wunden quillt das Blut,
Es spÜrt das Roß die warme Flut.
Vom Sattel tropft das Blut, vom Zaum, 5
Und spÜlt hinunter Staub und Schaum.
Die Rosse schreiten sanft und weich,
Sonst flÖß' das Blut zu rasch, zu reich.
Die Reiter reiten dicht gesellt,
Und einer sich am andern hÄlt. 10
Sie sehn sich traurig ins Gesicht,
Und einer um den andern spricht:
"Mir blÜht daheim die schÖnste Maid,
Drum tut mein frÜher Tod mir leid."
"Hab' Haus und Hof und grÜnen Wald, 15
Und sterben muß ich hier so bald!"
"Den Blick hab' ich in Gottes Welt,
Sonst nichts, doch schwer mir's Sterben fÄllt."
Und lauernd auf den Todesritt
Ziehn durch die Luft drei Geier mit. 20
Sie teilen kreischend unter sich:
"Den speisest du, den du, den ich".
* * * * *
75. DER OFFENE SCHRANK
Mein liebes MÜtterlein war verreist,
Und kehrte nicht heim, und lag in der Grube;
Da war ich allein und recht verwaist.
Und traurig trat ich in ihre Stube.
Ihr Schrank stand offen, ich fand ihn noch heut', 5
Wie sie, abreisend, ihn eilig gelassen.
Wie alles man durcheinander streut
Wenn vor der TÜr die Pferde schon passen.
Ein aufgeschlagnes Gebetbuch lag
Bei mancher Rechnung, von ihr geschrieben; 10
Von ihrem FrÜhstÜck am Scheidetag
War noch ein StÜcklein Kuchen geblieben.
Ich las das aufgeschlagne Gebet,
Es war: wie eine Mutter um Segen
FÜr ihre Kinder zum Himmel fleht; 15
Mir pochte das Herz in bangen SchlÄgen.
Ich las ihre Schrift, und ich verbiß
Nicht lÄnger meine gerechten Schmerzen,
Ich las die Zahlen, und ich zerriß
Die Freudenrechnung in meinem Herzen. 20
Zusammen sucht' ich den Speiserest,
Das kleinste KrÜmlein, den letzten Splitter,
Und hÄtt' es mir auch den Hals gepreßt,
Ich aß vom Kuchen und weinte bitter.
* * * * *
76. AUF EINE HOLLÄNDISCHE LANDSCHAFT
MÜde schleichen hier die BÄche,
Nicht ein LÜftchen hÖrst du wallen,
Die entfÄrbten BlÄtter fallen
Still zu Grund', vor AltersschwÄche.
KrÄhen, kaum die Schwingen regend, 5
Streichen langsam; dort am HÜgel
LÄßt die WindmÜhl' ruhn die FlÜgel;
Ach, wie schlÄfrig ist die Gegend!
Lenz und Sommer sind verflogen;
Dort das HÜttlein, ob es trutze, 10
Blickt nicht aus, die Strohkapuze
Tief ins Aug' herabgezogen.
Schlummernd, oder trÄge sinnend,
Ruht der Hirt bei seinen Schafen,
Die Natur, Herbstnebel spinnend, 15
Scheint am Rocken eingeschlafen.
* * * * *
77. STIMME DES REGENS
Die LÜfte rasten auf der weiten Heide,
Die Disteln sind so regungslos zu schauen,
So starr, als wÄren sie aus Stein gehauen,
Bis sie der Wandrer streift mit seinem Kleide.
Und Erd' und Himmel haben keine Scheide, 5
In eins gefallen sind die nebelgrauen,
Zwei Freunden gleich, die sich ihr Leid vertrauen,
Und mein und dein vergessen traurig beide.
Nun plÖtzlich wankt die Distel hin und wieder,
Und heftig rauschend bricht der Regen nieder, 10
Wie laute Antwort auf ein stummes Fragen.
Der Wandrer hÖrt den Regen niederbrausen,
Er hÖrt die windgepeitschte Distel sausen,
Und eine Wehmut fÜhlt er, nicht zu sagen.
* * * * *
78. HERBST
Rings ein Verstummen, ein EntfÄrben:
Wie sanft den Wald die LÜfte streicheln,
Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;
Ich liebe dieses milde Sterben.
Von hinnen geht die stille Reise, 5
Die Zeit der Liebe ist verklungen,
Die VÖgel haben ausgesungen,
Und dÜrre BlÄtter sinken leise.
Die VÖgel zogen nach dem SÜden,
Aus dem Verfall des Laubes tauchen 10
Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,
Die BlÄtter fallen stets, die mÜden.
In dieses Waldes leisem Rauschen
Ist mir, als hÖr' ich Kunde wehen,
Daß alles Sterben und Vergehen 15
Nur heimlich still vergnÜgtes Tauschen.