46. DIE GRENADIERE

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Nach Frankreich zogen zwei Grenadier',
Die waren in Rußland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie ließen die KÖpfe hangen.

Da hÖrten sie beide die traurige MÄr': 5
Daß Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das große Heer,—
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.

Da weinten zusammen die Grenadier'
Wohl ob der klÄglichen Kunde. 10
Der eine sprach: Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!

Der andre sprach: Das Lied ist aus,
Auch ich mÖcht' mit dir sterben,
Doch hab' ich Weib und Kind zu Haus, 15
Die ohne mich verderben.

Was schert mich Weib, was schert mich Kind!
Ich trage weit beßres Verlangen;
Laß sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind,—
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen! 20

GewÄhr mir, Bruder, eine Bitt':
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab mich in Frankreichs Erde.

Das Ehrenkreuz am roten Band 25
Sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gib mir in die Hand,
Und gÜrt mir um den Degen.

So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwach', im Grabe, 30
Bis einst ich hÖre KanonengebrÜll
Und wiehernder Rosse Getrabe.

Dann reitet mein Kaiser wohl Über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig' ich gewaffnet hervor aus dem Grab,— 35
Den Kaiser, den Kaiser zu schÜtzen!

* * * * *

47.

In mein gar zu dunkles Leben
Strahlte einst ein sÜßes Bild;
Nun das sÜße Bild erblichen,
Bin ich gÄnzlich nachtumhÜllt.

Wenn die Kinder sind im Dunkeln, 5
Wird beklommen ihr GemÜt,
Und um ihre Angst zu bannen,
Singen sie ein lautes Lied.

Ich, ein tolles Kind, ich singe
Jetzo in der Dunkelheit; 10
Klingt das Lied auch nicht ergÖtzlich,
Hat's mich doch von Angst befreit.

* * * * *

48.

Ich weiß nicht, was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin;
Ein MÄrchen ans alten Zeiten,
Das kommt mir nicht aus dem Sinn.

Die Luft ist kÜhl und es dunkelt, 5
Und ruhig fließt der Rhein;
Der Gipfel des Berges funkelt
Im Abendsonnenschein.

Die schÖnste Jungfrau sitzet
Dort oben wunderbar, 10
Ihr goldnes Geschmeide blitzet,
Sie kÄmmt ihr goldenes Haar.

Sie kÄmmt es mit goldenem Kamme,
Und singt ein Lied dabei;
Das hat eine wundersame, 15
Gewaltige Melodei.

Den Schiffer im kleinen Schiffe
Ergreift es mit wildem Weh;
Er schaut nicht die Felsenriffe,
Er schaut nur hinauf in die HÖh'. 20

Ich glaube, die Wellen verschlingen
Am Ende Schiffer und Kahn;
Und das hat mit ihrem Singen
Die Lorelei getan.

* * * * *

49.

Du bist wie eine Blume
So hold und schÖn und rein:
Ich schau' dich an, und Wehmut
Schleicht mir ins Herz hinein.

Mir ist, als ob ich die HÄnde 5
Aufs Haupt dir legen sollt',
Betend, daß Gott dich erhalte
So rein und schÖn und hold.

* * * * *

50.

Auf FlÜgeln des Gesanges,
Herzliebchen, trag' ich dich fort,
Fort nach den Fluren des Ganges,
Dort weiß ich den schÖnsten Ort.

Dort liegt ein rotblÜhender Garten 5
Im stillen Mondenschein;
Die Lotosblumen erwarten
Ihr trautes Schwesterlein.

Die Veilchen kichern und kosen,
Und schaun nach den Sternen empor; 10
Heimlich erzÄhlen die Rosen
Sich duftende MÄrchen ins Ohr.

Es hÜpfen herbei und lauschen
Die frommen, klugen Gazell'n;
Und in der Ferne rauschen 15
Des heiligen Stromes Well'n.

Dort wollen wir niedersinken
Unter dem Palmenbaum,
Und Liebe und Ruhe trinken
Und trÄumen seligen Traum. 20

* * * * *

51.

Die Lotosblume Ängstigt
Sich vor der Sonne Pracht,
Und mit gesenktem Haupte
Erwartet sie trÄumend die Nacht.

Der Mond, der ist ihr Buhle, 5
Er weckt sie mit seinem Licht,
Und ihm entschleiert sie freundlich
Ihr frommes Blumengesicht.

Sie blÜht und glÜht und leuchtet,
Und starret stumm in die HÖh'; 10
Sie duftet und weinet und zittert
Vor Liebe und Liebesweh.

* * * * *

52.

Ein Fichtenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler HÖh'.
Ihn schlÄfert; mit weißer Decke
UmhÜllen ihn Eis und Schnee.

Er trÄumt von einer Palme, 5
Die fern im Morgenland
Einsam und schweigend trauert
Auf brennender Felsenwand.

* * * * *

53.

Mein Liebchen, wir saßen beisammen,
Traulich im leichten Kahn.
Die Nacht war still, und wir schwammen
Auf weiter Wasserbahn.

Die Geisterinsel, die schÖne, 5
Lag dÄmmrig im Mondenglanz;
Dort klangen liebe TÖne,
Und wogte der Nebeltanz.

Dort klang es lieb und lieber,
Und wogt' es hin und her; 10
Wir aber schwammen vorÜber
Trostlos auf weitem Meer.

* * * * *

54.

Ein JÜngling liebt ein MÄdchen,
Die hat einen Ändern erwÄhlt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermÄhlt.

Das MÄdchen heiratet aus Ärger 5
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der JÜngling ist Übel dran.

Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu; 10
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.

* * * * *

[Illustration: Das Schweigen im Walde, by Arnold BÖcklin]

* * * * *

55.

DÄmmernd liegt der Sommerabend
Über Wald und grÜnen Wiesen;
Goldner Mond im blauen Himmel
Strahlt herunter, duftig labend.

An dem Bache zirpt die Grille, 5
Und es regt sich in dem Wasser,
Und der Wandrer hÖrt ein PlÄtschern
Und ein Atmen in der Stille.

Dorten, an dem Bach alleine
Badet sich die schÖne Elfe; 10
Arm und Nacken, weiß und lieblich,
Schimmern in dem Mondenscheine.

* * * * *

56.

Es fÄllt ein Stern herunter
Aus seiner funkelnden HÖh'!
Das ist der Stern der Liebe,
Den ich dort fallen seh'.

Es fallen vom Apfelbaume 5
Der BlÜten und BlÄtter viel
Es kommen die neckenden LÜfte
Und treiben damit ihr Spiel.

Es singt der Schwan im Weiher
Und rudert auf und ab, 10
Und immer leiser singend
Taucht er ins Flutengrab.

Es ist so still und dunkel!
Verweht ist Blatt und BlÜt',
Der Stern ist knisternd zerstoben, 15
Verklungen das Schwanenlied.

* * * * *

57.

Der Tod, das ist die kÜhle Nacht,
Das Leben ist der schwÜle Tag.
Es dunkelt schon, mich schlÄfert,
Der Tag hat mich mÜd' gemacht.

Über mein Bett erhebt sich ein Baum 5
Drin singt die junge Nachtigall;
Sie singt von lauter Liebe,
Ich hÖr' es sogar im Traum.

* * * * *

58.

"Sag, wo ist dein schÖnes Liebchen,
Das du einst so schÖn besungen,
Als die zaubermÄcht'gen Flammen
Wunderbar dein Herz durchdrungen?"

Jene Flammen sind erloschen 5
Und mein Herz ist kalt und trÜbe,
Und dies BÜchlein ist die Urne
Mit der Asche meiner Liebe.

* * * * *

59. FRIEDEN

Hoch am Himmel stand die Sonne
Von weißen Wolken umwogt,
Das Meer war still,
Und sinnend lag ich am Steuer des Schiffes,
TrÄumerisch sinnend—und, halb im Wachen 5
Und halb im Schlummer, schaute ich Christus,
Den Heiland der Welt.
Im wallend weißen Gewande
Wandelt' er riesengroß
Über Land und Meer; 10
Es ragte sein Haupt in den Himmel,
Die HÄnde streckte er segnend
Über Land und Meer;
Und als ein Herz in der Brust
Trug er die Sonne, 15
Die rote, flammende Sonne;
Und das rote, flammende Sonnenherz
Goß seine Gnadenstrahlen
Und sein holdes, liebseliges Licht,
Erleuchtend und wÄrmend 20
Über Land und Meer.

GlockenklÄnge zogen feierlich
Hin und her, zogen wie SchwÄne,
An RosenbÄndern, das gleitende Schiff,
Und zogen es spielend ans grÜne Ufer, 25
Wo Menschen wohnen, in hochgetÜrmter
Ragender Stadt.

O Friedenswunder! Wie still die Stadt!
Es ruhte das dumpfe GerÄusch
Der schwatzenden, schwÜlen Gewerbe, 30
Und durch die reinen, hallenden Straßen
Wandelten Menschen, weißgekleidete,
Palmzweig-tragende,
Und wo sich zwei begegneten,
Sah'n sie sich an, verstÄndnisinnig, 35
Und schauernd in Liebe und sÜßer Entsagung
KÜßten sie sich auf die Stirne.
Und schauten hinauf
Nach des Heilands Sonnenherzen,
Das freudig versÖhnend sein rotes Blut 40
Hinunterstrahlte.
Und dreimalselig sprachen sie:
"Gelobt sei Jesus Christ!"

* * * * *

60.

Leise zieht durch mein GemÜt
Liebliches GelÄute.
Klinge, kleines FrÜhlingslied,
Kling hinaus ins Weite.

Kling hinaus, bis an das Haus, 5
Wo die Blumen sprießen.
Wenn du eine Rose schaust,
Sag, ich laß' sie grÜßen.

* * * * *

61.

Es war ein alter KÖnig,
Sein Herz war schwer, sein Haupt war grau;
Der arme alte KÖnig,
Er nahm eine junge Frau.

Es war ein schÖner Page, 5
Blond war sein Haupt, leicht war sein Sinn;
Er trug die seidne Schleppe
Der jungen KÖnigin.

Kennst du das alte Liedchen?
Es klingt so sÜß, es klingt so trÜb'! 10
Sie mußten beide sterben,
Sie hatten sich viel zu lieb.

* * * * *

62.

Es ziehen die brausenden Wellen
Wohl nach dem Strand;
Sie schwellen und zerschellen
Wohl auf dem Sand.

Sie kommen groß und krÄftig 5
Ohn' Unterlaß;
Sie werden endlich heftig—
Was hilft uns das?

* * * * *

63.

Es ragt ins Meer der Runenstein,
Da sitz' ich mit meinen TrÄumen.
Es pfeift der Wind, die MÖwen schrein,
Die Wellen, die wandern und schÄumen.

Ich habe geliebt manch schÖnes Kind 5
Und manchen guten Gesellen—
Wo sind sie hin? Es pfeift der Wind,
Es schÄumen und wandern die Wellen.

* * * * *

64. IN DER FREMDE

Ich hatte einst ein schÖnes Vaterland.
Der Eichenbaum
Wuchs dort so hoch, die Veilchen nickten sanft.
Es war ein Traum.

Das kÜßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch 5
(Man glaubt es kaum,
Wie gut es klang) das Wort: "Ich liebe dich!"
Es war ein Traum.

* * * * *

65. WO?

Wo wird einst des WandermÜden
Letzte RuhestÄtte sein?
Unter Palmen in dem SÜden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd' ich wo in einer WÜste 5
Eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh' ich an der KÜste
Eines Meeres in dem Sand?

Immerhin! Mich wird umgeben
Gotteshimmel, dort wie hier, 10
Und als Totenlampen schweben
Nachts die Sterne Über mir.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                           

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